Diese Geschichte wird weder die Welt noch die Menschen verändern. Aber vielleicht werden Sie, der Leser, ein bisschen freundlicher und lernen mich ein bisschen kennen. Vor drei Jahren zwang mich der Krieg in der Ukraine, meine Heimat zu verlassen. Ich kann es immer noch nicht glauben.
Anfangs gingen wir, wie viele andere auch, davon aus, dass der Konflikt nicht länger als einen Monat dauern würde. Aber mit jedem Tag, der verging, wurden wir vom Gegenteil überzeugt. Meine Mutter, mein Bruder, mein Stiefvater und ich reisten fast zwei Monate lang durch Europa, um einen Ort zu finden, an dem wir die Unsicherheit abwarten konnten. In dieser Zeit wohnten wir nicht in teuren Hotels, wir gingen nicht in Restaurants, wir hatten kaum Erholung, wir fuhren Tag und Nacht mit dem Auto. Aber ich kann sagen, dass wir mehr Glück hatten als diejenigen, die kein Auto oder kein Geld hatten, oder diejenigen, deren Leben von Bomben zerstört wurde.
Wir versuchten auch, unseren Verwandten und einfach anderen Ukrainern zu helfen. Meine Mutter blieb nächtelang auf, um Ausreiseplänen für die Menschen aus dem Kriegsgebiet zu entwickeln, ohne unterwegs ihr Leben zu verlieren. Zum Beispiel aus einer Stadt, in der ich den grössten Teil meiner Kindheit verbracht habe, in der meine Mutter geboren wurde und in der meine Grossmutter während des Krieges in der Notaufnahme gearbeitet hat, und die derzeit noch von ausländischen Militärs besetzt ist.
So verlief für uns der erste Monat nach Kriegsbeginn. Aber viele Erinnerungen sind noch verschwommen.
Später kamen wir durch Zufall in die Schweiz. Wir fanden eine Unterkunft, beantragten Papiere, mein Bruder ging in den Kindergarten, ich in die Sekundarschule, meine Eltern lernten Deutsch und suchten Arbeit. Nach und nach begannen wir, das Gute und Helle in unserer Situation zu sehen. Ganz zu schweigen von den Momenten, in denen wir die Nachrichten aufschlugen und unsere Herzen vor Wut, Schmerz und Verzweiflung zersprangen. Aber das ist normal, anders kann man auf diese Ereignisse nicht reagieren.
Reisen wir noch ein wenig weiter zurück in die Vergangenheit. Es sind jetzt über drei Jahre vergangen. Es hat sich viel verändert. Wir haben uns verändert. Ich konnte auf ein ausgezeichnetes Schweizer Gymnasium gehen, mein Bruder ist bereits in der 3. Klasse der Primarschule. Meine Eltern konnten wieder auf die Beine kommen, denn sie waren es immer gewohnt, zu arbeiten und ihre Ziele zu erreichen. Wir haben viele nette Menschen kennengelernt. Wir haben viele neue Dinge gelernt und gesehen. Wir haben unsere Horizonte erweitert. Wir haben Deutsch gelernt. Wir haben das System der SBB erforscht. Wir haben angefangen, uns mehr um die Umwelt zu kümmern. Es hat alles seine Vorteile. Wir leben weiter. Wir bewegen uns vorwärts. Wir schätzen unser Leben und das Leben der anderen mehr. Nur die Sorgen und das Mitgefühl sind dieselben. Und die Erkenntnis, dass nichts mehr so sein wird, wie es einmal war.
Diese Geschichte ist auf dem Papier traurig, aber im Leben ist der Krieg und seine Folgen die Hölle.
Aber wir sind nicht zu bemitleiden.
Jeder, der das hier liest, soll einfach erkennen, dass jeder seine eigene Geschichte hat. Ich habe euch heute nicht angelächelt, nicht weil ich euch nicht mag, sondern weil ich die Nachrichten aufgeschlagen und gelesen habe, dass das Haus eines Freundes zerstört wurde.
Jeder hat etwas durchgemacht. Und wir haben Glück, dass wir es überlebt haben. Wir müssen jeden Moment wirklich schätzen, das sind keine leeren Worte. Und wir müssen auch einfach freundlicher sein. Glauben Sie mir, jeder muss einfach freundlicher sein. Dann hätten wir vielleicht nicht den 24. Februar 2022. Und das Leben wäre für alle besser.