Essay – Anonym

Stellen Sie sich vor: Sie bekommen endlich Ihre Prüfung zurück. Auf dem Blatt steht, dass Sie eine Sechs bekommen haben. Freuen Sie sich darüber unbändig oder sind Sie eher enttäuscht? Na ja, das kommt darauf an, welches Bewertungssystem man im Kopf hat — das schweizerische oder das ukrainische. Zwei Länder, zwei Bewertungssysteme, die auf ganz andere Aspekte Wert legen. Das wirft die Frage auf: Worin unterscheiden sich das ukrainische und das schweizerische Notensystem? Stay tuned! In der Schweiz reichen die Noten von 1 bis 6, wobei die 6 die beste Note ist und eine 4 als «bestanden» gilt. Alles unter 4 gilt als ungenügend. In der Regel erhält man ein Halbjahres- oder Jahreszeugnis.

In der Ukraine gibt es eine breitere Notenskala. Das Ganze basiert auf einem 12-Punkte-System, bei dem man mit einer 12 von einem Ohr bis zum anderen strahlt und mit einer 7 noch als „bestanden“ gilt. Als Jahresendnote zählt der Durchschnitt aller Noten im Schuljahr.

Was die Unterrichtsmethoden in den beiden Ländern betrifft, so findet man deutlich mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. In der Schweiz gelten Gruppenarbeiten, Diskussionen und projektorientierter Unterricht als normal. Das System ist interaktiv und schülerzentriert — die Lehrperson wird dabei eher als Lernbegleiterin gesehen. Hausaufgaben gibt es zwar, aber nur gelegentlich. Ein grosser Unterschied ist, dass Schweizer Schüler und Schülerinnen pro Jahr etwa drei bis vier Bücher lesen, wobei die Werke detailliert analysiert werden.

In meinem Heimatland hingegen herrscht ein lehrerzentrierter Unterrichtsstil. Gruppenarbeiten kommen seltener beziehungsweise fast nie vor. Stattdessen bekommt man täglich haufenweise Hausaufgaben, die erledigt werden müssen. Pro Jahr liest man etwa 30 Bücher. Zudem wird grosser Wert auf Poesie gelegt. Ich erinnere mich an meine Schulzeit, als ich mir etwa 20 Gedichte auswendig lernen und sie dann vor der Klasse aufsagen musste. Einerseits war das sehr viel und definitiv anstrengend, andererseits fällt es mir heute leicht, mir Dinge schnell zu merken.

Was Prüfungen anbelangt, so finden in der Schweiz regelmässig Tests statt. Am Ende des Gymnasiums legt man die Maturitätsprüfungen ab. Diese bestehen aus schriftlichen und mündlichen Teilen.

In der Ukraine hingegen gibt es nur eine Form von Abschlussprüfung — eine schriftliche. Auch im Schulalltag sind Prüfungen präsent: Die Schüler schreiben viele Zwischentests, die fast immer unangekündigt stattfinden. Wer später an einer Universität studieren möchte, muss das sogenannte ZNO (Zentrale Nationale Prüfung) absolvieren.

Stellen Sie sich vor: Sie halten Ihre Prüfung in der Hand und sehen Ihre Note. Congrats, wieder eine Sechs? Sind Sie jetzt überglücklich oder eher enttäuscht? Na ja, das kommt darauf an, welches Bewertungssystem Sie im Kopf haben - das schweizerische oder das ukrainische. Beide Länder gehen ganz eigene Wege, um Schüler zu bewerten und zu fördern. Unterschiedliche Länder, unterschiedliche Methoden und Schwerpunkte, aber immer mit demselben Ziel: junge Menschen bestmöglich auf ihre Zukunft vorbereiten.