USTER Der erfolgreiche Westschweizer Autor Joseph Incardona sprach an der Kantonsschule Uster mit Schülern verschiedener 6. Französischklassen über sein Leben als Schriftsteller. Der Anlass kam gut an, was auch an der sympathischen und humorvollen Art Incardonas liegt.
Er hat es als Fussballer einst bis in die erste Mannschaft von Servette FC Genève geschafft. Er liebt das Kochen, war Pizzalieferant und Bootsmechaniker. Joseph Incardona sagt von sich: «Ich bin ein Familienvater, Bürger und Schriftsteller. Das Schreiben ist für mich essenziell.» Der Genfer besuchte am vergangenen Dienstag die Kantonsschule Uster und stand den Schülern verschiedener6.Französischklassen Red und Antwort. Incardona gehört zu den erfolgreichsten Westschweizer Autoren, seine Bücher verkaufen sich auch in Frankreich sehr erfolgreich. Der Genfer folgte einerEinladung der Französischlehrerin Marie Messner, die selber ebenfalls als Autorin aktiv ist und ihn letztes Jahr an der Buchmesse in Genf kennenlernte. Messner liest momentan mit ihrer Klasse 6B Incardonas Buch «220 Volts».
Die Lehrerin als Journalistin
«Man hat mir gesagt, dass euer Niveau in Französisch hervorragend ist», beginnt Incardona mit einem Schmunzeln. Die Schüler lachen, doch spätestens während der Fragerunde wird klar, dass sie sich problemlos auf Französisch verständigen können und auch keine Scheu haben, dies zu tun. Noch übernimmt aber die Lehrerin die Rolle der Fragestellerin, in einer Art Interview befragt sie Incardona zu seinem Leben als Schriftsteller. Der Westschweizer erzählt ausführlich und humorvoll. Er achtet darauf, nicht zu schnell zu sprechen, und hat dank seiner sympathischen Art keine Mühe, die Schüler für sich zu gewinnen. Der 48Jährige spricht auch über Schwierigkeiten und darüber, dass es lange dauere, bis man vom Schreiben leben könne: «Schriftsteller zu sein, ist harte Arbeit. Man braucht viel Disziplin, muss selber der Motor seines Lebens sein.» Gleichzeitig betont Incardona aber auch, dass es ihm immer noch grösste Freude bereite zu schreiben. «Es ist eine Reise in mein Inneres. Man lernt viel über sich selber, die Lebenserfahrung bereichert das Schreiben.»
Hohes sprachliches Niveau
Der Schriftsteller selber betritt in Uster Neuland. «Es ist das erste Mal, dass ich an einer Schule in der Deutschschweiz spreche», erklärt er später im Gespräch. «Die Idee, mich in Uster vorstellen zu dürfen, hat mir gut gefallen.» Er zeigt sich beeindruckt von den Schülern. «Sie waren so aufmerksam und respektvoll. Es war eine sehr positive Erfahrung für mich.» Nicht zuletzt vor den sprachlichen Fähigkeiten der Ustermer Schüler zieht er den Hut. «Ich hatte ein bisschen Angst, dass sie mich vielleicht nicht so gut verstehen. Aber das war überhaupt nicht der Fall. Ich denke, sie sprechen besser französisch, als die Schüler in der Westschweiz deutsch sprechen.»
Im zweiten Teil der Veranstaltung übernehmen die Schüler das Zepter. Sie scheinen es zu geniessen, sich für einmal nicht mit Molière und Camus auseinandersetzen zu müssen, sondern einen lebenden Autor vor sich zu haben. Ihre Fragen sind zahlreich: Wie genau schreibt man denn nun ein Buch? Wie lange dauert es? Wann weiss der Schriftsteller, dass ein Buch zu Ende ist? Was tut Incardona,wenn er eine Schreibblockade hat? Der Schriftsteller erteilt bereitwillig Auskunft und gibt den angehenden Maturanden noch einen wertvollen Rat mit auf den Weg, den sie sicher gerne gehört haben: «Man darf ein Buch immer hinterfragen, egal, wie berühmt der Autor ist. Es ist legitim zu sagen: Das spricht mich nicht an.»Der grosse Applaus, mit dem die Schüler Incardona nach 90 Minuten entlassen, zeigt, wie sehr ihnen der Austausch mit dem Schriftsteller gefallen hat. Ein Eindruck, den Marie Messner am nächsten Tag auf Nachfrage bestätigt. «Die Schüler fanden es sehr interessant, einen erfolgreichen Autor kennenzulernen. Ihnen hat es gefallen, wie Incardona aus seinem Leben erzählt hat und dass sie ihm Fragen stellen konnten.»
Mehr Austausch gewünscht
Messner, die selber aus der Westschweiz stammt, findet es wichtig, Beziehungen zwischen den Landesteilen zu pflegen. Auch Incardona weist darauf hin, dass es seltsam sei, wie wenig Austausch, beispielsweise auf kultureller Ebene, bestehe. Bis jetzt wurde keines seiner Bücher auf Deutsch übersetzt (siehe Box). «Es ist, als gäbe es eine virtuelle Mauer zwischen der Deutschschweiz und der Romandie.» Es sei erstaunlich, dass beispielsweise der sehr erfolgreiche Dialektroman «Der Goalie bin ig» von Pedro Lenz, obwohl eine französische Version existiere, kaum Beachtung in der Romandie finde.«Das ist doch unglaublich. Als ob wir zwei verschiedene Länder wären. Ich denke, gerade im kulturellen Bereich müssen wir mehr Brücken bauen», fügt Incardona an.