Der Herr im cremefarbenen Anzug, mit der verstrubelten Haartolle und den „angewachsenen Ohrläppchen“ steht schon seit einiger Zeit auf der Bühne und gibt kleinere Anekdoten und Beobachtungen aus seinem Alltag aus dem Stehgreif zum Besten. Da ist der minimalistische Maler Lenin, der im Co-Working Space mit vollem Weinglas vor leeren Wänden steht; sein Minimalismus geht so weit, dass er auf Farbe, Pinsel und auch Leinwand verzichtet! Aber da ist auch praktische Lebenshilfe, mit dem Ratschlag, doch mal nur zu würfeln, anstatt sich ständig entscheiden zu müssen – nur, dass dann die Arbeit auf einen zukommt, sich immer sechs Optionen ausdenken zu müssen…
Bei Christoph Simon und seinen Texten ist die Nähe zum Poetry Slam deutlich spürbar; er vermag tiefsinnig zu unterhalten. Scheinbarer Klamauk und schräge Perspektiven verwandeln sich in seinen Gedankenfolgen oder zu tiefsinnigen Aussagen:«Vor grossen Hürden braucht man keine Angst zu haben, denn es fällt einem einfacher, unter ihnen durchzuschlüpfen.»
Im Laufe dieser Sequenz verdichten sich die Gedanken immer mehr, werden kunstreich verwoben und erzeugen neue Zusammenhänge. Ist man als Zuhörerin oder Zuhörer nicht voll dabei, hat man schnell das Gefühl, abgehängt zu werden. Verebbt so ein Gedankentsunami, schaut Christoph Simon nachdenklich in die hintere obere Ecke des Saales; der verletzliche, eigenbrötlerische Philosoph gewinnt die Oberhand über den lockeren Bühnensprecher, der trotz seiner Hände in den Hosentaschen präsent und aufmerksam wirkt.
Über den Arbeitsplatz des Autors und seinen Schaffensprozess erfahren die Schülerinnen und Schüler im Frageblock viel: Der Erstling des Autors wurde während dreier Jahre «zusammengeschustert» und in zwölf Fassungen komplett umgeschrieben, bis der Autor überzeugt war, den Menschen mit seinem Werk eine Freude zu bereiten. Diesem langwierigen Prozess unterwirft sich Christoph Simon bis heute, aus einem inneren Bedürfnis heraus. Nebenbei bemerkt er, dass er durch seine Schilderungen über den mühevollen Schreibprozess wohl dazu beiträgt, dass bei den anwesenden Klassen Schriftstellerin oder Schriftsteller als Berufswunsch vermutlich nicht mehr auftauchen werde.
Dennoch zeigen sich die Schülerinnen und Schüler von seinem Metier und seinem Können beeindruckt: Die präzise Beobachtungsgabe; die scheinbar hingeworfenen Hass- oder Liebes-Listen, die voller poetischer Tiefe stecken; die treffenden Worte, die in den Köpfen Bilder malen, wie dies Lenin im Co-Working Space nie vermögen würde – sie alle tragen dazu bei, dass man die Aula mit dem Eindruck verlässt, eine magische und herzliche Stunde an einem grauen Schulmorgen erlebt zu haben.
Vielen Dank an die Organisation der In-House-Lesungen!