«Der Sturm» – Theatermacherinnen im Interview

Die diesjährige Theaterproduktion an der Kantonsschule Uster wurde in vier fast ausverkauften Vorstellungen von den Besucherinnen und Besuchern beklatscht. Doch was läuft da alles hinter der Bühne ab? Wie erleben die Schauspielerinnen und Schauspieler, wie die Leiterinnen des Theaterateliers den Prozess? Zwei Journalistinnen des Presseteams hat sich in der ‘Theaterwoche’ umgehört und mit zwei Schauspielerinnen und den Leiterinnen je ein Interview geführt.

Interviews von Antonia Mülleitner (G3c) und Maja Semlitsch (G3c)

«Der Sturm» – Theatermacherinnen im Interview


Interview mit den Schauspielerinnen


Frage: Was hat dich an deiner Rolle am meisten herausgefordert?

Zoe (Seraphina):

Mich hat herausgefordert, dass meine Rolle mir selber recht ähnlich ist – vor allem, weil sie Dinge nicht so ernst nimmt. Deshalb war es für mich schwierig, in der Rolle zu bleiben, da ich mich nicht so sehr verstellen musste. Gerade deswegen ist es schwerer, wirklich in der Rolle zu bleiben. Es ist generell auch schwierig zu wissen, was man tun soll, wenn man lange nichts sagen muss auf der Bühne.
Noémi (Arielle):
Ich spiele ja einen Luftgeist, und für mich war es am schwersten, mich körperlich wie ein Luftgeist zu bewegen. Die Rolle ist auch doppelt besetzt mit Sophie, und es war zusätzlich schwierig, sich gemeinsam zu bewegen, zu sprechen und alles gleich zu betonen und zu zeigen.
 

Frage: Wie bereitet ihr euch auf eure Rolle vor?

Zoe:
Ich versuche, auf der Bühne möglichst ernst zu bleiben. Sonst mache ich eigentlich nicht viel, ausser Konzentrationsübungen – die machen wir manchmal gemeinsam.
Noémi:
Ich probiere, aus mir herauszukommen und mehr zum Luftgeist zu werden. Ich versuche, nicht mehr so menschlich zu sein. Frau Abt sagt mir oft: „Du bist noch zu sehr Noémi.“
 

Frage: Fühlt ihr euch schon bereit für die Premiere am Donnerstag?

Noémi:
Nein.
Folgefrage: Was sind noch die Unsicherheiten, bzw. woran müsst ihr noch arbeiten?
Zoe:
Ich war beim ersten Durchlauf noch nicht dabei, also habe ich das Stück noch nie ganz gespielt – daran müsste ich noch arbeiten. In den letzten Probetagen sind wir aber richtig schnell vorangekommen. Bisher hatte ich das Gefühl, dass wir einfach nicht weiterkommen, aber jetzt sind Licht und Ton dazugekommen, und es fügt sich alles gut zusammen. Deshalb denke ich, dass das kein Problem mehr sein dürfte.
Noémi:
Die Abläufe sind noch ein bisschen unklar – sie sind noch nicht so richtig im Kopf drin. Vor allem Dinge wie der Abgang von der Bühne und wer wo wann sein muss, sind noch ein bisschen schwierig. Das ist einfach noch nicht ganz drin, und das sorgt für kleinere Unsicherheiten.
 

Frage: Seid ihr als Theatertruppe im letzten halben Jahr zusammengewachsen?

Zoe:
Ja, schon. Es hat sich wirklich eine Gruppe gebildet, die sich gut versteht. Am Anfang kannten wir uns teilweise noch gar nicht, und jetzt verstehen wir uns echt gut.
 

Frage: Welche Szenen oder Dinge machen euch besonders Spass?

Zoe:
Ich bin zwar nicht in so vielen Szenen, aber mir gefällt besonders die Szene, in der ich mit der Figur Antonia einen Handschlag mache – das ist immer ziemlich lustig. Und ich finde die Szenen witzig, in denen wir von den Arielles erschreckt werden, weil wir uns da viel bewegen und ich in der Szene mutig sein muss.
Noémi:
In einer Szene werde ich von Prospera ein bisschen herumgeworfen – das macht Spass zu spielen, weil wir so ängstlich sind.
Zoe:
Eigentlich machen die Szenen am meisten Spass, in denen man krasse Emotionen spielen muss.
 

Frage: Wem würdet ihr den Theater-Workshop empfehlen?

Zoe:
Also man braucht definitiv viel Freizeit und Motivation, um die zu investieren. Man muss sich natürlich auch dafür interessieren. Man sollte sich einfach sicher sein, dass man das machen will, weil es viel Zeitaufwand ist. Dazu kommt, dass man sich auch überwinden muss, aufzutreten – wenn man eher schüchtern ist, ist das wahrscheinlich eine grössere Herausforderung. Generell muss man aus seiner Komfortzone heraus, aber dafür ist man danach selbstbewusster.
Noémi:
Man hat schon Angst vor den Aufführungen, aber dadurch, dass man vorher mit allen ein halbes Jahr lang probt, wird es leichter. Man wird gut auf den Auftritt vorbereitet, und deshalb wird die Angst auch kleiner

 

Interview mit Frau Abt und Frau Zimmermann, den Leiterinnen des Theaterateliers


Frage: Sie haben das Stück „Der Sturm“ von William Shakespeare umgeschrieben und interpretiert. Gibt es Motive, welche Sie besonders hervorgehoben haben?

Frau Abt:
Frau Zimmermann und ich haben das intensiv diskutiert und entschieden, dass wir insgesamt nahe am Originaltext bleiben wollen, da viele Themen auch heute noch sehr aktuell sind. Dazu gehören Macht, Missgunst, Dummheit und Blindheit – aber auch Liebe und Verzeihen, die Möglichkeiten zum Lernen und Einsehen bieten. Diese Themen sind zeitlos.
Uns sind aber auch zeitgebundene Tendenzen und Haltungen aufgefallen, wie zum Beispiel die koloniale Denkweise: dass man irgendwo hingeht, wo angeblich noch niemand gewesen ist, und glaubt, man könne dieses Land einfach besetzen – und dass die Menschen, die dort leben, also die Ureinwohner, weniger wert seien. Diese Haltung zeigt sich besonders in der Figur Caliban. Im Gesamtstück ist das aber kein dominantes Thema. Es sind viele Figuren, die in einem kammerspielartigen Setting auf der Insel aufeinandertreffen, und es entsteht eine Dynamik, in der diese Haltung nur ein kleiner Aspekt ist.
Uns war sehr bewusst, dass dies aus heutiger Sicht aufstösst und gar nicht mehr geht. Deshalb haben wir das Thema auch mit der Gruppe besprochen und mit dem Ende des Stücks deutlich gemacht, dass wir diese Haltung verurteilen – und dass auch die Figuren selbst sie verurteilen.
Bei Caliban haben wir das hervorgehoben, was auch Shakespeare selbst schon betont hat: Es ist eine sehr zwiespältige Figur mit zwei Seiten – einer poetischen, erdverbundenen, aber auch einer brutalen, aus heutiger Sicht unmoralischen Seite. Diese Ambivalenz wollten wir bewusst stehen lassen.
Frau Zimmermann:
Wir haben auch die Figuren, die mit Caliban interagieren, besonders aktualisiert, um zu zeigen, dass wir ihn und seinen Umgang mit dieser Haltung kritisch betrachten.
 

Frage: Frau Abt, haben Sie selbst auch Schauspielerfahrung – und wenn ja, an welchen Projekten haben Sie teilgenommen?

Frau Abt:
Ja, angefangen habe ich mit 17 Jahren mit dem gross angelegten Projekt „Braav Tüfeli“. Wir waren eine junge Gruppe, die durch die ganze Schweiz getourt ist – voller Enthusiasmus, ohne Entgelt, mit Kostümen und Orchester. Dieses Erlebnis hat mich sehr geprägt. Es war toll, wie wir gemeinsam diese Produktion auf die Beine gestellt haben.
Während meiner Musikausbildung habe ich dann mit Schauspieler*innen zusammen weitere Projekte gemacht – teils auch selbstgeschriebene Stücke, in denen ich musikalisch mitgewirkt habe. Meine Ausbildung war aber im Bereich Musik, Gesang und Sprechen – nicht im Schauspiel.
 

Frage: Warum haben Sie sich für das Stück „Der Sturm“ entschieden?

Frau Abt:
Wir fragen die Gruppe jeweils vor den Sommerferien, worauf sie Lust haben, und versuchen dann, ein Stück zu finden, das zu den Wünschen passt. Dieses Jahr gab es viele Wünsche: nach Märchen, Magie, Lustigem, Glitzer – aber gleichzeitig auch nach Tiefgründigkeit.
Ich habe lange hin und her überlegt und viel recherchiert, bis ich schliesslich auf „Der Sturm“ gestossen bin. Frau Zimmermann und ich fanden beide, dass das Stück perfekt passt – und wir hatten beide grosse Lust darauf.
 

Frage: Gibt es irgendwelche Details im Bühnenbild, den Kostümen oder dem Licht, die besonders bedeutungsvoll sind und auf die man achten sollte?

Frau Abt:
Meine Überlegung beim Bühnenbild war, dass die Insel in der Mitte eine Art Projektionsfläche darstellt – ein Ort, an dem Licht projiziert wird und an dem sich Menschen verändern können. Es ist ein Nullpunkt, ein Ausgangspunkt. Deshalb ist auch viel Weiss auf der Bühne zu sehen – als symbolischer Anfangsort. Das Zentrum ist also eine metaphorische Fläche, auf der und um die herum alles geschieht.
 

Frage: Dies ist bereits Ihre vierzehnte Theaterproduktion an dieser Schule. Was sind Schwierigkeiten, die immer wieder auftauchen – vielleicht gerade bei Schülerinnen, die das erste Mal auf der Bühne stehen?

Frau Abt:
Ich würde das gar nicht unbedingt als „Schwierigkeit“ bezeichnen – aber man muss lernen, mit Ausdauer an etwas zu arbeiten. Am Anfang wirkt alles noch unübersichtlich und man hat keinen Überblick. Doch gegen Ende gibt es eine steile Lernkurve, und alle merken: Jetzt kommt es gut.
Diejenigen, die das schon kennen, vertrauen diesem Prozess – und die anderen müssen sich daran gewöhnen. Das Wichtigste ist, all diese kleinen Herausforderungen mit Ruhe, Flexibilität und immer neuen Entscheidungen anzugehen. Theaterarbeit braucht viel Improvisationsvermögen – auch in der Organisation.
Bisher ist es immer gut gekommen – und der Spirit dabei ist einfach irrsinnig!