Am Rande der Gesellschaft: Das war das Motto der diesjährigen Politikwoche an der Kantonsschule Uster. Eröffnet wurde sie mit ganz vielen Fragen: Was heisst eigentlich «Am Rande der Gesellschaft»? Warum gibt es Leute, die dort ankommen? Was passiert, wenn man dort ankommt? Welche Hilfeleistungen gibt es? Und: Wer steht eigentlich alles am Rande unserer Gesellschaft? Auf diese und weitere Fragen versuchten die SechstklässlerInnen im Laufe der Woche durch Exkursionen, Begegnungen und Referate Antworten zu finden.
Nach der Begrüssung durch Frau Oertle startete die Politikwoche mit einem Referat von Karsten Donnay, einem Professor für Politikwissenschaft an der Universität Zürich, mit dem Thema «Ungleichheit in der Schweiz». Donnay zeigte auf, welche Bevölkerungsgruppen besonders häufig von Armut betroffen sind, was Ursachen und Folgen von Armut sind und was die Politik dagegen tun kann. Ausserdem gab er einen Einblick in das Studium der Politikwissenschaften und die Themen, mit denen sie sich beschäftigt.
Am Nachmittag ging es dann nach Zürich, zur Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige. Empfangen wurden wir dort in einem gemütlich eingerichteten Aufenthaltsraum von einem feinen Kaffeeduft und von Janine Lanz, die in der Einrichtung als Sozialarbeiterin tätig ist. Sie erzählte von ihrer Arbeit und stellte Ziele und Angebote der Anlaufstelle vor. Diese gibt Drogenabhängigen einen Ort, wo sie in geschütztem und überwachtem Rahmen Drogen konsumieren können. So soll ihre Lebensqualität verbessert und der öffentliche Raum entlastet werden. Ausserdem gibt es Beratungs- und Vermittlungsangebote, die Betroffenen den Weg aus der Sucht ermöglichen.
Die Anlaufstelle war aber nicht die einzige Einrichtung, die wir besuchen durften. Am Dienstag reisten wir wieder nach Zürich, dieses Mal zur Jugendnotschlafstelle Nemo. Dort können Jugendliche Zuflucht suchen, die aus verschiedenen Gründen nicht zuhause übernachten können. Das Nemo gibt ihnen einen sicheren Ort zum Schlafen, Raum zum Nachdenken und ein offenes Ohr, denn es werden auch Sozialberatungen angeboten. Das ist wichtig, denn die Jugendlichen haben meist Schweres hinter sich. So erzählte uns der Sozialarbeiter, der uns das Nemo zeigte, über den grossen Strauss Rosen, der auf dem Couchtisch im gemütlich eingerichteten Wohnzimmer steht: «Den hat eine Jugendliche für ihre Mutter gekauft, aber sie hat ihn nicht angenommen und so steht der Strauss halt jetzt hier». Erzählungen wie diese treffen einen, und umso schöner war es zu sehen, dass es mit dem Nemo einen Ort gibt, wo man im Notfall hinkann, und wo sich jemand um einen kümmert.
Zum Mittagessen ging es dann ins Restaurant "Blinde Kuh". Der Name ist Programm, den im Speisesaal des Restaurants war es stockfinster. Dort konnten wir einmal «sehen», wie es ist, wenn man eben nichts sieht, und welche Herausforderungen sich einem stellen, über die man sich sonst gar keine Gedanken macht. So gestaltete sich sowohl Kommunikation untereinander als auch das Essen schwierig, und an unserem Tisch waren bald angeregte Diskussionen darüber im Gange, auf welchen Sinn man im Alltag am ehesten verzichten könnte. Schnell wurde uns klar, wie schwierig sich der Alltag für Menschen gestalten musste, die tatsächlich einen oder mehrere Sinne nicht zur Verfügung haben.
Mittwoch und Donnerstag blieben wir an der Schule und durften ganz viele verschiedene Leute treffen, die aus unterschiedlichen Gründen am Rande der Gesellschaft leben oder sich für solche Menschen engagieren. So zum Beispiel Janson, der uns seine Geschichte erzählte von einer glücklichen Kindheit im kongolesischen Dschungel, vom tragischen Schicksal seiner Familie, seiner langen Flucht in die Schweiz und schliesslich von den Herausforderungen, die sich ihm nach seiner Ankunft hier stellten. Ausserdem nahmen wir an Workshops von youngCARITAS teil, in deren Rahmen das Wochenthema entweder künstlerisch in Form von Fotografie oder schriftlich in Form von Rap- und Poetryslam-Texten thematisiert und verarbeitet wurde.
Am Mittwochabend hatten ein paar andere SchülerInnen und ich die Möglichkeit, einen Freiwilligeneinsatz im Café Yucca in Zürich zu leisten. Das Café Yucca ist ein Treffpunkt für beispielsweise Armutsbetroffene, wo sie kostenlose Mahlzeiten, eine Gemeinschaft und bei Bedarf Sozialberatungen finden. Wir haben dort zusammen mit Frau Oertle und Herrn Nyffenegger einen feinen Znacht gekocht und den Leuten serviert. Der Einsatz hat mir viel Spass gemacht und war es eine sehr positive Erfahrung, damit etwas Gutes für Bedürftige zu tun.
Der letzte Tag unserer Politikwoche machte deren Namen dann nochmals alle Ehre, denn es wurden vier Politikerinnen der Parteien SP, GLP, FDP und SVP für eine Podiumsdiskussion eingeladen. Angeleitet durch den Moderator Rafael von Matt war schnell eine brisante Diskussion zu verschiedensten Themen der Schweizer Politik, beispielsweise zur Asylpolitik, im Gange. Besonders toll war, dass wir selbst auch Fragen stellen konnten, die wir im Vorfeld im Klassenverband erarbeitet hatten. So rundete die Podiumsdiskussion das Programm der Woche ab und zeigte uns nochmals andere Blickwinkel von verschiedenen politischen Parteien auf das Wochenthema.