«Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben»
Auch wir schauten an jenem Freitag Ende Juni in den Sommerhimmel, während die beiden Schauspieler Samuel Kübler und Katja Langnäse diese Zeilen aus dem Brecht-Gedicht «Erinnerung an Marie A.» rezitierten. Sie sassen dabei auf einer Steinmauer am Wegrand. Wir – Schülerinnen und Schüler einer fünften Klasse plus Lehrperson – standen daneben, den Blick übers Land vor Wermatswil schweifen lassend. Auch in unserem Himmel stand eine Wolke, sehr weiss und ungeheuer oben, und am Ende des Gedichtes hatte sie sich aufgelöst – «und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind».
Dies ist nur einer von vielen berührenden Momenten, in denen sich Lyrik und Dramenausschnitte für einmal ganz ungewohnt sinnlich erleben liessen. So standen wir tatsächlich vor einem Lattenzaun und hörten vom Morgenstern’schen «Lattenzaun mit Zwischenraum, hindurchzuschaun». Später wandelten wir durch den Friedhof und erlebten mit Wedekinds Melchior seinen Besuch am Grab der verstorbenen Wendla. Auf den Kirchenstufen litten wir Liebeskummer mit Rilke, im Wald lauschten wir dem romantischen Rauschen (der Wind setze an passender Stelle ein) und vor einem Stall wurde uns eine lyrische Anthologie von Schweinetypen vorgesetzt.
Dass wir auf diesem Spaziergang zudem die vielfältige Umgebung unserer Schule entdecken konnten, war ein schöner Nebeneffekt.