«Gracias Chile, estuviste precioso!»

Atacama-Wüste

Santiago de Chile

Als ich mich am Flughafen von meiner Gastfamilie und von Chile verabschieden musste, konnte ich gar nicht glauben, dass mein Schüleraustausch schon zu Ende war. In den vergangenen zehn Wochen bin ich um unzählige Erfahrungen und Begegnungen reicher geworden!

Das Land Chile und seine Leute haben mich während meinem Aufenthalt immer wieder aufs Neue überrascht. Man hatte mir gesagt, dass die meisten Südamerikanerinnen und -amerikaner immer viel herzlicher und freundlicher zu allen sind als wir Schweizer, doch erst in Chile habe ich wirklich realisiert, wie stark sich deren Mentalität von unserer unterscheidet. Beispielsweise fand ich anfangs die Beziehung zwischen den Lehrpersonen und den Schülerinnen und Schülern im Colegio sehr komisch: Sie sind Freunde, begrüssen sich mit Küsschen auf die Wange oder freundschaftlichem Handschlag und Schulterklopfen. Man tauscht sich (teilweise auch während des Unterrichts) über das Privatleben aus und lacht zusammen. Nach kurzer Zeit hatte ich mich an diese andere Art von Schule gewöhnt und bemerkte, dass ich den Schulalltag in der Schweiz jetzt als ziemlich ernst, distanziert und kühl empfinde.

In der Schule wurde ich von meinen Mitschülerinnen und -schülern schnell aufgenommen, mir wurde immer geholfen und alles erklärt. Obwohl von den Schülerinnen und Schülern echt viel verlangt wird, die Schultage stets erst am Abend beendet sind und dann zu Hause sofort weitergebüffelt und auswendig gelernt werden muss, waren meistens alle gut drauf und haben gelacht. Ihr Fleiss und Wille hat mich echt beeindruckt. Um später auf eine gute Universität zu kommen, würden viele Schüler alles tun – und schliesslich soll es sich auch lohnen, auf eine so gute und kostspielige Schule wie das Colegio Suizo zu gehen.

Obwohl ich erst seit einem Jahr Spanisch gelernt hatte, konnte ich mich immer gut verständigen. Anfangs war es sehr anstrengend, bei jedem gehörten Satz zu überlegen, was er bedeutet, doch es wurde mit jedem Tag einfacher. Der alltägliche Wortschatz war bald geläufig und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Spanisch nun deutlich besser sprechen und verstehen kann. Vor allem hat sich Spanisch für mich jetzt von einer Schulbuchsprache in eine echte, lebendige Sprache verwandelt.

Ich merkte, wie wichtig die Familie für die Chileninnen und Chilenen ist. Der Familienzusammenhalt in meiner Gastfamilie war sehr stark, Freunde waren immer zweitrangig. Sie hatten eigentlich keinen grossen Freundeskreis, sondern trafen sich mit Grossmutter, Bruder, Tante oder Cousin. Während meiner Zeit in Chile wurde ich richtig in die Familie aufgenommen und gehörte immer dazu. Dies war schön und gab mir Sicherheit.

Mir fiel auf, dass man in der Schweiz viel selbstständiger erzogen wird als in Chile. Weil einige Eltern die ganze Stadt als zu gefährlich empfinden, werden die Kinder und Jugendlichen überall hingefahren. Man geht nie zu Fuss und ich durfte beispielsweise nirgendwo allein hin. Den Kindern liest man fast jeden Wunsch von den Augen ab. Mit meiner Selbstständigkeit, die in der Schweiz für mein Alter selbstverständlich ist, habe ich mich in Chile stets sehr reif und erwachsen gefühlt.

Aber nicht nur die chilenische Mentalität, sondern auch das Land an sich liess mich staunen. Ich hätte nicht gedacht, in zehn Wochen im Meer zu baden, die trockenste Wüste der Erde zu erkunden und Ski zu fahren, während ich in einer Stadt mit sieben Millionen Menschen wohne. Aber da meine Gastfamilie jedes Wochenende etwas mit mir unternahm und wir eine Woche Ferien hatten, erlebte und sah ich unglaublich viel und ich konnte die Vielfältigkeit dieses Landes kennenlernen.


Ich schaue auf eine wundervolle und eindrückliche Zeit zurück und bin sehr dankbar für diese einzigartige Gelegenheit. Ich habe viel gelernt – nicht nur Spanisch, sondern auch, Probleme mit einer chilenischen Gelassenheit zu lösen, geduldig zu sein und nicht immer alles genau durchzuplanen. 

«Gracias Chile, estuviste precioso!»